July 19, 2012, Jürgen Habermas talked at "The Carl Friedrich von Siemens Stiftung" in Munich. Here he discussed his views on religion in a secular, liberal state with Friedrich Wilhelm Graf, who is Professor of Theology at the University of Munich.
Today "Neue Zürcher Zeitung" (August 4, 2012) features Habermas's lecture:
"Wie viel Religion verträgt der liberale Staat?"
Excerpts:
"Aus ihrem europäischen Entstehungskontext können wir die Säkularisierung der Staatsgewalt als die friedenschaffende Antwort auf die religiöse Gewalt der Konfessionskriege begreifen. Aber in anderen Weltteilen hat umgekehrt erst die Nationalstaatsbildung eine Konfessionalisierung, d. h. die wechselseitige Exklusion und Unterdrückung der bis dahin mehr oder weniger friedlich und schiedlich nebeneinander lebenden Religionsgemeinschaften hervorgebracht. Im Übrigen können uns die obskuren Mischformen und zweifelhaften Symbiosen von staatlicher und religiöser Gewalt, die wir andernorts beklagen, an die zähe Gegenwehr der christlichen Kirchen gegen den liberalen Staat erinnern, auch an den langanhaltenden Kampf um die Emanzipation der öffentlichen Schulbildung und des Familienrechts vom kirchlichen Zugriff.
Andererseits ist Relativismus die falsche Konsequenz aus der gebotenen Selbstkritik. Nicht zufällig bedienen sich Dissidenten in aller Welt der Sprache von Demokratie und Menschenrechten. Als Teilnehmer an interkulturellen Diskursen bildet der Westen zwar nur eine unter mehreren Parteien. In dieser Rolle müssen wir uns an einen undogmatischen und lernbereiten Umgang mit Zivilisationen gewöhnen, die auf ganz anderen Entwicklungspfaden zu Zeitgenossen einer von multiple modernities geprägten Weltgesellschaft geworden sind. Aber nur auf der Grundlage einer selbstbewussten Verteidigung universalistischer Ansprüche können wir uns von den Argumenten der anderen über unsere blinden Flecken im Verständnis und in der Anwendung der eigenen Prinzipien belehren lassen."
Today "Neue Zürcher Zeitung" (August 4, 2012) features Habermas's lecture:
"Wie viel Religion verträgt der liberale Staat?"
Excerpts:
"Aus ihrem europäischen Entstehungskontext können wir die Säkularisierung der Staatsgewalt als die friedenschaffende Antwort auf die religiöse Gewalt der Konfessionskriege begreifen. Aber in anderen Weltteilen hat umgekehrt erst die Nationalstaatsbildung eine Konfessionalisierung, d. h. die wechselseitige Exklusion und Unterdrückung der bis dahin mehr oder weniger friedlich und schiedlich nebeneinander lebenden Religionsgemeinschaften hervorgebracht. Im Übrigen können uns die obskuren Mischformen und zweifelhaften Symbiosen von staatlicher und religiöser Gewalt, die wir andernorts beklagen, an die zähe Gegenwehr der christlichen Kirchen gegen den liberalen Staat erinnern, auch an den langanhaltenden Kampf um die Emanzipation der öffentlichen Schulbildung und des Familienrechts vom kirchlichen Zugriff.
Andererseits ist Relativismus die falsche Konsequenz aus der gebotenen Selbstkritik. Nicht zufällig bedienen sich Dissidenten in aller Welt der Sprache von Demokratie und Menschenrechten. Als Teilnehmer an interkulturellen Diskursen bildet der Westen zwar nur eine unter mehreren Parteien. In dieser Rolle müssen wir uns an einen undogmatischen und lernbereiten Umgang mit Zivilisationen gewöhnen, die auf ganz anderen Entwicklungspfaden zu Zeitgenossen einer von multiple modernities geprägten Weltgesellschaft geworden sind. Aber nur auf der Grundlage einer selbstbewussten Verteidigung universalistischer Ansprüche können wir uns von den Argumenten der anderen über unsere blinden Flecken im Verständnis und in der Anwendung der eigenen Prinzipien belehren lassen."
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