I have updated my blog post:
Links to reviews of Habermas's "Auch eine Geschichte der Philosophie"
Friday, March 27, 2020
Tuesday, March 17, 2020
Review of "The Habermas-Rawls Debate"
At "Notre Dame Philosophical Review", Wilfried Hinsch reviews James Gordon Finlayson's book "The Habermas-Rawls Debate" (Columbia University Press, 2019):
The Habermas-Rawls Debate
Excerpt
"James Gordon Finlayson's book gives us a well-informed and detailed account of the exchange between Habermas and Rawls about questions of political justice and legitimacy. Finlayson discusses both the exchange which took place in the 1990s and the ensuing academic debate which continues today. He analyses both the exchange and the debate with lucidity and shows fair judgment when it comes to assessing arguments and counter-arguments. The book also contains helpful sketches of Habermas's political discourse ethics in Between Facts and Norms and Rawls's account of justice and legitimacy in Political Liberalism. Beginners and more advanced scholars will benefit from the clarity and determination with which Finlayson sorts out ubiquitous misunderstandings, especially concerning the Original Position -- the much-discussed centerpiece of Rawls's conception of justice as fairness -- and the idea of an overlapping consensus in Rawls's political liberalism."
The Habermas-Rawls Debate
Excerpt
"James Gordon Finlayson's book gives us a well-informed and detailed account of the exchange between Habermas and Rawls about questions of political justice and legitimacy. Finlayson discusses both the exchange which took place in the 1990s and the ensuing academic debate which continues today. He analyses both the exchange and the debate with lucidity and shows fair judgment when it comes to assessing arguments and counter-arguments. The book also contains helpful sketches of Habermas's political discourse ethics in Between Facts and Norms and Rawls's account of justice and legitimacy in Political Liberalism. Beginners and more advanced scholars will benefit from the clarity and determination with which Finlayson sorts out ubiquitous misunderstandings, especially concerning the Original Position -- the much-discussed centerpiece of Rawls's conception of justice as fairness -- and the idea of an overlapping consensus in Rawls's political liberalism."
Tuesday, March 10, 2020
Interview with Habermas: "Moral Universalism at a Time of Political Regression"
A new interview with Jürgen Habermas:
"Moralischer Universalismus in Zeiten politischer Regression. Jürgen Habermas im Gespräch über die Gegenwart und sein Lebenswerk"
(Leviathan, vol. 48 no. 1, 2020, pp. 7-28)
Excerpt
"Wenn Sie mich nun nach der Relevanz der neuen Medien für den Strukturwandel der Öffentlichkeit fragen, denke ich zunächst an die Bedeutung, die die politische Öffentlichkeit, wie wir sie kennen, für die Herausbildung der Demokratie hatte, und gleichzeitig an die wachsende Bedeutung, die die demokratische Willensbildung von Lesern wiederum für die politische und soziale Integration unserer pluralisierten und individualisierten Gesellschaften gehabt hat. Dabei fällt mir das strukturelle Problem auf, das mich seit Einführung der digitalen Kommunikation, also spätestens seit den frühen 1990er Jahren, irritiert und ratlos zurückgelassen hat. Ich weiß einfach nicht, wie in der digitalen Welt ein funktionales Äquivalent für die seit dem 18. Jahrhundert entstandene, aber heute im Zerfall begriffene Kommunikationsstruktur großräumiger politischer Öffentlichkeiten aussehen könnte. Das Netz ist von seinen Pionieren gerade wegen seiner anarchischen Infrastruktur zu Recht als befreiend gefeiert worden. Aber gleichzeitig verlangt das Moment der Gemeinsamkeit, das für die demokratische Meinungs- und Willensbildung konstitutiv ist, auch eine Antwort auf die spezielle Frage: Wie lässt sich in der virtuellen Welt des dezentrierten Netzes – also ohne die professionelle Autorität einer begrenzten Anzahl von Verlagen und Publikationsorganen mit geschulten, sowohl redigierenden wie auswählenden Lektoren und Journalisten – eine Öffentlichkeit mit Kommunikationskreisläufen aufrechterhalten, die die Bevölkerung inklusiv erfassen?
Politische Öffentlichkeiten, wie auch ich sie beschrieben habe, sind ja nicht zufällig im historischen Zusammenhang des Parlamentarismus und der Ausbildung eines Parteiensystems entstanden. Diese Kommunikationsstruktur war eine wesentliche Funktionsvoraussetzung für jede Demokratie, weil sie die Aufmerksamkeit einer großen Bevölkerung auf relativ wenige politisch entscheidungsrelevante Gegenstände lenken und ein allgemeines Interesse für solche Themen wecken und wachhalten konnte. Aber diese vertikalen, inzwischen auf der Verbreitung und Ausstrahlung von Presse-, Radio- und Fernsehprogrammen beruhenden Kommunikationsströme verlieren zunehmend an Bedeutung gegenüber der horizontalen Kommunikation über die neuen, insbesondere die sozialen Medien. Die Infrastruktur der Öffentlichkeit zerbröckelt in Ländern wie den USA schon seit längerem. Die ersten Anzeichen der Erosion zeigten sich nach der breitenwirksamen Privatisierung des Fernsehens und vor allem des Radios mit der Folge einer marktorientierten Anpassung der Programme.
Heute kommt hinzu, dass die neuen Medien nicht mehr vom zentripetalen Sog der klassischen Öffentlichkeit erfasst werden. Die von den neuen Medien selbst erzeugte zentrifugale Web-Öffentlichkeit ist von Haus aus fragmentiert, ohne von sich aus der Immunisierung der auseinanderdriftenden Kommunikationsinseln gegen kognitive Dissonanzen etwas entgegenzusetzen. Deshalb kann die in der realen Welt stattfindende parteipolitische Auseinandersetzung über entscheidungsbedürftige Themen, wie wissenschaftliche Studien etwa am Beispiel von Obama’s Gesundheitsprogramm gezeigt haben, in der virtuellen Welt die Aufmerksamkeit der betroffenen demokratischen Wähler kaum noch binden, sodass die Bürger über ihre eigenen politischen Interessenlagen nicht mehr hinreichend aufgeklärt werden können.
Die klassischen Massenmedien konnten die Aufmerksamkeit eines großen nationalen Publikums bündeln und auf wenige relevante Themen lenken; das digitale Netz fördert die Vielfalt kleiner Nischen für beschleunigte, aber narzisstisch in sich kreisende Diskurse über verschiedene Themen. Die unbestreitbaren Vorteile dieser Technik stellt ja niemand in Frage. Aber im Hinblick auf den Strukturwandel der politischen Öffentlichkeit interessiert mich der eine Aspekt: Sobald die zentrifugalen Kräfte dieser »Blasen« bildenden Kommunikationsstruktur die Sogwirkung der inklusiven Öffentlichkeit aufwiegen, dürften sich konkurrierende öffentliche Meinungen, die für die Bevölkerung im Ganzen repräsentativ sind, nicht mehr ausbilden können. Die digitalen Öffentlichkeiten würden sich dann auf Kosten einer gemeinsamen und diskursiv gefilterten politischen Meinungsund Willensbildung entwickeln. Soweit ich das heute beurteilen kann, hängt vor allem von der Lösung dieses Problems die Richtung ab, in der sich der Strukturwandel der Öffentlichkeit – und insbesondere der politischen Öffentlichkeit – vollziehen wird."
"Moralischer Universalismus in Zeiten politischer Regression. Jürgen Habermas im Gespräch über die Gegenwart und sein Lebenswerk"
(Leviathan, vol. 48 no. 1, 2020, pp. 7-28)
Excerpt
"Wenn Sie mich nun nach der Relevanz der neuen Medien für den Strukturwandel der Öffentlichkeit fragen, denke ich zunächst an die Bedeutung, die die politische Öffentlichkeit, wie wir sie kennen, für die Herausbildung der Demokratie hatte, und gleichzeitig an die wachsende Bedeutung, die die demokratische Willensbildung von Lesern wiederum für die politische und soziale Integration unserer pluralisierten und individualisierten Gesellschaften gehabt hat. Dabei fällt mir das strukturelle Problem auf, das mich seit Einführung der digitalen Kommunikation, also spätestens seit den frühen 1990er Jahren, irritiert und ratlos zurückgelassen hat. Ich weiß einfach nicht, wie in der digitalen Welt ein funktionales Äquivalent für die seit dem 18. Jahrhundert entstandene, aber heute im Zerfall begriffene Kommunikationsstruktur großräumiger politischer Öffentlichkeiten aussehen könnte. Das Netz ist von seinen Pionieren gerade wegen seiner anarchischen Infrastruktur zu Recht als befreiend gefeiert worden. Aber gleichzeitig verlangt das Moment der Gemeinsamkeit, das für die demokratische Meinungs- und Willensbildung konstitutiv ist, auch eine Antwort auf die spezielle Frage: Wie lässt sich in der virtuellen Welt des dezentrierten Netzes – also ohne die professionelle Autorität einer begrenzten Anzahl von Verlagen und Publikationsorganen mit geschulten, sowohl redigierenden wie auswählenden Lektoren und Journalisten – eine Öffentlichkeit mit Kommunikationskreisläufen aufrechterhalten, die die Bevölkerung inklusiv erfassen?
Politische Öffentlichkeiten, wie auch ich sie beschrieben habe, sind ja nicht zufällig im historischen Zusammenhang des Parlamentarismus und der Ausbildung eines Parteiensystems entstanden. Diese Kommunikationsstruktur war eine wesentliche Funktionsvoraussetzung für jede Demokratie, weil sie die Aufmerksamkeit einer großen Bevölkerung auf relativ wenige politisch entscheidungsrelevante Gegenstände lenken und ein allgemeines Interesse für solche Themen wecken und wachhalten konnte. Aber diese vertikalen, inzwischen auf der Verbreitung und Ausstrahlung von Presse-, Radio- und Fernsehprogrammen beruhenden Kommunikationsströme verlieren zunehmend an Bedeutung gegenüber der horizontalen Kommunikation über die neuen, insbesondere die sozialen Medien. Die Infrastruktur der Öffentlichkeit zerbröckelt in Ländern wie den USA schon seit längerem. Die ersten Anzeichen der Erosion zeigten sich nach der breitenwirksamen Privatisierung des Fernsehens und vor allem des Radios mit der Folge einer marktorientierten Anpassung der Programme.
Heute kommt hinzu, dass die neuen Medien nicht mehr vom zentripetalen Sog der klassischen Öffentlichkeit erfasst werden. Die von den neuen Medien selbst erzeugte zentrifugale Web-Öffentlichkeit ist von Haus aus fragmentiert, ohne von sich aus der Immunisierung der auseinanderdriftenden Kommunikationsinseln gegen kognitive Dissonanzen etwas entgegenzusetzen. Deshalb kann die in der realen Welt stattfindende parteipolitische Auseinandersetzung über entscheidungsbedürftige Themen, wie wissenschaftliche Studien etwa am Beispiel von Obama’s Gesundheitsprogramm gezeigt haben, in der virtuellen Welt die Aufmerksamkeit der betroffenen demokratischen Wähler kaum noch binden, sodass die Bürger über ihre eigenen politischen Interessenlagen nicht mehr hinreichend aufgeklärt werden können.
Die klassischen Massenmedien konnten die Aufmerksamkeit eines großen nationalen Publikums bündeln und auf wenige relevante Themen lenken; das digitale Netz fördert die Vielfalt kleiner Nischen für beschleunigte, aber narzisstisch in sich kreisende Diskurse über verschiedene Themen. Die unbestreitbaren Vorteile dieser Technik stellt ja niemand in Frage. Aber im Hinblick auf den Strukturwandel der politischen Öffentlichkeit interessiert mich der eine Aspekt: Sobald die zentrifugalen Kräfte dieser »Blasen« bildenden Kommunikationsstruktur die Sogwirkung der inklusiven Öffentlichkeit aufwiegen, dürften sich konkurrierende öffentliche Meinungen, die für die Bevölkerung im Ganzen repräsentativ sind, nicht mehr ausbilden können. Die digitalen Öffentlichkeiten würden sich dann auf Kosten einer gemeinsamen und diskursiv gefilterten politischen Meinungsund Willensbildung entwickeln. Soweit ich das heute beurteilen kann, hängt vor allem von der Lösung dieses Problems die Richtung ab, in der sich der Strukturwandel der Öffentlichkeit – und insbesondere der politischen Öffentlichkeit – vollziehen wird."
Sunday, March 08, 2020
Ernst Tugendhat turns 90 today [Updated]
The German philosopher Ernst Tugendhat turns 90 today.
Links to articles on Ernst Tugendhat in the German newspapers:
* Peter Wogt (Süddeutsche Zeitung)
* Jürgen Habermas (Die Zeit)
* Michael Hesse (Kölner Stadt-Anzeiger)
* Stefan Gosepath (Der Tagesspiegel)
* Hans-Martin Gauger (Badische Zeitung)
* Nikolaus Halmer (Die Furche)
* Christian Geyer (Frankfurter Allgemeine Zeitung)
An interview with Ernst Tugendhat from 2007: "The time for philosophising is over".
Links to articles on Ernst Tugendhat in the German newspapers:
* Peter Wogt (Süddeutsche Zeitung)
* Jürgen Habermas (Die Zeit)
* Michael Hesse (Kölner Stadt-Anzeiger)
* Stefan Gosepath (Der Tagesspiegel)
* Hans-Martin Gauger (Badische Zeitung)
* Nikolaus Halmer (Die Furche)
* Christian Geyer (Frankfurter Allgemeine Zeitung)
An interview with Ernst Tugendhat from 2007: "The time for philosophising is over".
Saturday, March 07, 2020
Habermas on Karl-Otto Apel (1922-2017)
New article by Jürgen Habermas:
"Von der formalen Semantik zur transzendentalen Pragmatik – Karl-Otto Apels ursprüngliche Einsicht" [pdf]
("Topologik – International Journal of Philosophy, Educational and Social Sciences" no. 26, 2019/2020, pp. 66-88.)
Abstract:
"Among the German philosophers of the first post-World War II generation, Karl-Otto Apel is an outstanding figure. His pathbreaking achievement, which happened to fall into the shadow of a persisting dispute about the problem of "Letztbegründung", is the disclosure of a new dimension in the analysis of language - and the corresponding completion of the linguistic turn. He has performed the transition from formal semantics which concentrates on the structure of propositons to a "transcendental" pragmatics, focussing on formal properties of the use and interpretation of linguistic expressions. In the context of this shift Apel has at the same time developed the basis for an ethics of discourse. This article pursues the steps of this "transformation of transcendental philosophy", leading from the late Heidegger via Peirce to transcendental hermeneutics. In the course of a life-long discussion with my friend Karl-Otto Apel, I tackle at the end also some difficulties in the transcendental mode of providing a foundation for discourse-ethics."
"Von der formalen Semantik zur transzendentalen Pragmatik – Karl-Otto Apels ursprüngliche Einsicht" [pdf]
("Topologik – International Journal of Philosophy, Educational and Social Sciences" no. 26, 2019/2020, pp. 66-88.)
Abstract:
"Among the German philosophers of the first post-World War II generation, Karl-Otto Apel is an outstanding figure. His pathbreaking achievement, which happened to fall into the shadow of a persisting dispute about the problem of "Letztbegründung", is the disclosure of a new dimension in the analysis of language - and the corresponding completion of the linguistic turn. He has performed the transition from formal semantics which concentrates on the structure of propositons to a "transcendental" pragmatics, focussing on formal properties of the use and interpretation of linguistic expressions. In the context of this shift Apel has at the same time developed the basis for an ethics of discourse. This article pursues the steps of this "transformation of transcendental philosophy", leading from the late Heidegger via Peirce to transcendental hermeneutics. In the course of a life-long discussion with my friend Karl-Otto Apel, I tackle at the end also some difficulties in the transcendental mode of providing a foundation for discourse-ethics."
Friday, March 06, 2020
New essays in honor of Karl-Otto Apel
Two issues of the Italian journal "Topologik – International Journal of Philosophy, Educational and Social Sciences" contain new essays on Karl-Otto Apel, who died in 2017:
Topologik no. 24
Topologik no. 26 [pdf]
Here are links to some of the essays [pdf files]:
Jürgen Habermas - "Von der formalen Semantik zur transzendentalen Pragmatik – Karl-Otto Apels ursprüngliche Einsicht"
Edmund Arens - "Ein großer Geist und gesprächiger Gelehrter. Karl-Otto Apel zum Gedächtnis"
Micha Brumlik & Hauke Brunkhorst - "Kontingente Identität und historische Haftung. Ein Gespräch mit Karl-Otto Apel 1990 - revisited"
Rainer Forst - "Letzte Gründe. Karl-Otto Apel zum Gedenken – persönliche und philosophische Bemerkungen"
Andreas Dorschel - "Einen Gegenstand durchdenken. Gespräch in Padua"
Alessandro Pinzani - "Diskurs und menschliche Evolution"
René von Schomberg - "In Memory of Karl-Otto Apel: the challenge of a universalistic ethics of co-responsibility"
Piet Strydom - "From Transcendental Pragmatics to Cognitive Sociology: An Architectonic Comparison in Memory of Karl-Otto Apel"
Dietrich Böhler - "Am Wege meines Meisters. Subjektives zu dem Denker der Intersubjektivität"
Horst Gronke - "Leidenschaft des Philosophierens im Garten des Diskurses – Erinnerungen an den Philosophen Karl-Otto Apel"
Vittorio Hösle - "Erinnerungen an Gespräche mit Karl-Otto Apel"
Jon Hellesnes - "Karl-Otto Apel. Zur Relevanz und Aktualität seiner Kritik der szientistischen Denkweise"
Matthias Kettner - "Nach den Nachrufen. Zum Gedenken an Karl-Otto Apel"
Marcel Niquet - "Transcendental structures and presuppositional arguments: Round three"
Konrad Ott - "Praktische Diskurse im Anthropozän und die Hierarchie der Gründe"
Walter Reese-Schäfer - "Diskursethik und Institutionenethik. Apel und die politischen Institutionen"
Topologik no. 24
Topologik no. 26 [pdf]
Here are links to some of the essays [pdf files]:
Jürgen Habermas - "Von der formalen Semantik zur transzendentalen Pragmatik – Karl-Otto Apels ursprüngliche Einsicht"
Edmund Arens - "Ein großer Geist und gesprächiger Gelehrter. Karl-Otto Apel zum Gedächtnis"
Micha Brumlik & Hauke Brunkhorst - "Kontingente Identität und historische Haftung. Ein Gespräch mit Karl-Otto Apel 1990 - revisited"
Rainer Forst - "Letzte Gründe. Karl-Otto Apel zum Gedenken – persönliche und philosophische Bemerkungen"
Andreas Dorschel - "Einen Gegenstand durchdenken. Gespräch in Padua"
Alessandro Pinzani - "Diskurs und menschliche Evolution"
René von Schomberg - "In Memory of Karl-Otto Apel: the challenge of a universalistic ethics of co-responsibility"
Piet Strydom - "From Transcendental Pragmatics to Cognitive Sociology: An Architectonic Comparison in Memory of Karl-Otto Apel"
Dietrich Böhler - "Am Wege meines Meisters. Subjektives zu dem Denker der Intersubjektivität"
Horst Gronke - "Leidenschaft des Philosophierens im Garten des Diskurses – Erinnerungen an den Philosophen Karl-Otto Apel"
Vittorio Hösle - "Erinnerungen an Gespräche mit Karl-Otto Apel"
Jon Hellesnes - "Karl-Otto Apel. Zur Relevanz und Aktualität seiner Kritik der szientistischen Denkweise"
Matthias Kettner - "Nach den Nachrufen. Zum Gedenken an Karl-Otto Apel"
Marcel Niquet - "Transcendental structures and presuppositional arguments: Round three"
Konrad Ott - "Praktische Diskurse im Anthropozän und die Hierarchie der Gründe"
Walter Reese-Schäfer - "Diskursethik und Institutionenethik. Apel und die politischen Institutionen"
Wednesday, March 04, 2020
Habermas congratulates Ernst Tugendhat on his 90th birthday
In "Die Zeit" (March 5, 2020), Jürgen Habermas congratulates Ernst Tugendhat on his 90th birthday:
"Eine philosophische Existenz. Autonomie und Gerechtigkeit – zum 90. Geburtstag von Ernst Tugendhat"
Excerpts:
"Im Jahr 1976 erschien in einer Taschenbuchausgabe mit dem untertreibenden Titel "Vorlesungen zur Einführung in die sprachanalytische Philosophie" das Buch eines jüngeren Professors, der in Freiburg bei Heidegger studiert hatte und auf Initiative von Hans-Georg Gadamer 1966 nach Heidelberg berufen worden war. Er hatte mit einer Habilitationsschrift über den Wahrheitsbegriff bei Husserl und Heidegger die Aufmerksamkeit der Fachgenossen auf sich gezogen und schien sich, aus der Entfernung betrachtet, in die auch nach 1945 ungebrochen vorherrschende Tradition von Phänomenologie und Hermeneutik einzufügen. Tatsächlich hatte ihn aber ein Semester in Ann Arbor (Michigan, USA) von den methodischen Vorzügen der nach 1933 in die Emigration getriebenen und in den angelsächsischen Ländern aufgeblühten analytischen Philosophie überzeugt. (....)
Er interessiert sich nur für systematische Fragen und geht diese umstandslos frontal an. Er ist unter den deutschen Kollegen seiner Generation derjenige, der die Lehren von Frege bis Wittgenstein nicht diskutiert, sondern als Erster praktiziert hat. Ihn hatte wohl das Pathos der "Sachlichkeit" und der detaillierten "Durchführung", das ihm schon bei Husserl begegnet war, für das streng analytische Vorgehen eingenommen. (....)
Im Fach hat die "Einführung in die sprachanalytische Philosophie" mit dem Anspruch des Themas und der Wucht der Argumente sofort großen Eindruck gemacht. Diese Veröffentlichung war für die philosophische Diskussion in Deutschland ein Einschnitt, denn sie setzte für das Niveau der Argumentation neue Maßstäbe. In den folgenden Jahrzehnten hatten unsere intelligentesten Studenten den Ehrgeiz, "so zu schreiben wie Tugendhat" – er hat eine ganze Generation geprägt. Dasselbe Interesse weckte das nächste Buch über "Selbstbewusstsein und Selbstbestimmung"; es stieß sogleich eine große Kontroverse mit Dieter Henrich über den Begriff des Selbstbewusstseins und die philosophische Rede vom "Ich" an. Die Ablösung vom Paradigma der Bewusstseinsphilosophie, für die Richard Rorty den Ausdruck "linguistische Wende" eingeführt hatte, war in aller Munde. Auch Tugendhat macht sich in der Frontstellung gegen Descartes und den deutschen Idealismus jenes berühmte Argument Wittgensteins zu eigen, dass niemand für sich allein einer Regel folgen und eine Sprache sprechen kann. Mit dessen Hilfe kritisiert er die Vorstellung vom Eigenleben eines zum "Ich" verselbstständigten Bewusstseinssubjekts.
Während er nicht ganz unpolemisch und gewohnt scharfsinnig das reflexive Verhältnis des Sprechers zu seinen Erlebnissen mit der Semantik des "ich-Sagens" erklärt, schöpft er freilich den intersubjektiven Gehalt jenes "Privatsprachen-arguments" keineswegs ganz aus – die Pragmatik des "du-Sagens" und die Einstellung eines Sprechers gegenüber zweiten Personen spielen keine Rolle. Seine Analyse beschäftigt sich nur mit Sätzen, die aus den Perspektiven der ersten und der dritten Person verwendet werden. Zwar nimmt das in Erlebnissätzen artikulierte Selbstverhältnis zu den jeweils eigenen Vorstellungen, Gefühlen und Absichten sprachliche Gestalt an, aber mit dem privilegierten Zugang des Sprechers zu den eigenen Erlebnissen begründet Tugendhat auch einen Vorrang des egozentrischen Verhaltens zu sich vor dem voreilig vergegenständlichten interpersonalen Verhalten zu Anderen.
Aus dieser Beobachtung zieht er eine Konsequenz für den Ansatz der praktischen Philosophie, die ihn die kommenden Jahrzehnte beschäftigen wird. Denn die Egozentrik der "ich sagenden" Person erklärt, warum die Ethik von den Gefühlen und Wünschen der einzelnen Person ausgehen müsse – und von der entsprechenden Frage, was jeweils "für mich" gut und wichtig ist. Eine besondere Rolle soll dabei etwa das Bedürfnis nach der sozialen Anerkennung der eigenen, selbst für wichtig und richtig gehaltenen Leistungen spielen.
"Eine philosophische Existenz. Autonomie und Gerechtigkeit – zum 90. Geburtstag von Ernst Tugendhat"
Excerpts:
"Im Jahr 1976 erschien in einer Taschenbuchausgabe mit dem untertreibenden Titel "Vorlesungen zur Einführung in die sprachanalytische Philosophie" das Buch eines jüngeren Professors, der in Freiburg bei Heidegger studiert hatte und auf Initiative von Hans-Georg Gadamer 1966 nach Heidelberg berufen worden war. Er hatte mit einer Habilitationsschrift über den Wahrheitsbegriff bei Husserl und Heidegger die Aufmerksamkeit der Fachgenossen auf sich gezogen und schien sich, aus der Entfernung betrachtet, in die auch nach 1945 ungebrochen vorherrschende Tradition von Phänomenologie und Hermeneutik einzufügen. Tatsächlich hatte ihn aber ein Semester in Ann Arbor (Michigan, USA) von den methodischen Vorzügen der nach 1933 in die Emigration getriebenen und in den angelsächsischen Ländern aufgeblühten analytischen Philosophie überzeugt. (....)
Er interessiert sich nur für systematische Fragen und geht diese umstandslos frontal an. Er ist unter den deutschen Kollegen seiner Generation derjenige, der die Lehren von Frege bis Wittgenstein nicht diskutiert, sondern als Erster praktiziert hat. Ihn hatte wohl das Pathos der "Sachlichkeit" und der detaillierten "Durchführung", das ihm schon bei Husserl begegnet war, für das streng analytische Vorgehen eingenommen. (....)
Im Fach hat die "Einführung in die sprachanalytische Philosophie" mit dem Anspruch des Themas und der Wucht der Argumente sofort großen Eindruck gemacht. Diese Veröffentlichung war für die philosophische Diskussion in Deutschland ein Einschnitt, denn sie setzte für das Niveau der Argumentation neue Maßstäbe. In den folgenden Jahrzehnten hatten unsere intelligentesten Studenten den Ehrgeiz, "so zu schreiben wie Tugendhat" – er hat eine ganze Generation geprägt. Dasselbe Interesse weckte das nächste Buch über "Selbstbewusstsein und Selbstbestimmung"; es stieß sogleich eine große Kontroverse mit Dieter Henrich über den Begriff des Selbstbewusstseins und die philosophische Rede vom "Ich" an. Die Ablösung vom Paradigma der Bewusstseinsphilosophie, für die Richard Rorty den Ausdruck "linguistische Wende" eingeführt hatte, war in aller Munde. Auch Tugendhat macht sich in der Frontstellung gegen Descartes und den deutschen Idealismus jenes berühmte Argument Wittgensteins zu eigen, dass niemand für sich allein einer Regel folgen und eine Sprache sprechen kann. Mit dessen Hilfe kritisiert er die Vorstellung vom Eigenleben eines zum "Ich" verselbstständigten Bewusstseinssubjekts.
Während er nicht ganz unpolemisch und gewohnt scharfsinnig das reflexive Verhältnis des Sprechers zu seinen Erlebnissen mit der Semantik des "ich-Sagens" erklärt, schöpft er freilich den intersubjektiven Gehalt jenes "Privatsprachen-arguments" keineswegs ganz aus – die Pragmatik des "du-Sagens" und die Einstellung eines Sprechers gegenüber zweiten Personen spielen keine Rolle. Seine Analyse beschäftigt sich nur mit Sätzen, die aus den Perspektiven der ersten und der dritten Person verwendet werden. Zwar nimmt das in Erlebnissätzen artikulierte Selbstverhältnis zu den jeweils eigenen Vorstellungen, Gefühlen und Absichten sprachliche Gestalt an, aber mit dem privilegierten Zugang des Sprechers zu den eigenen Erlebnissen begründet Tugendhat auch einen Vorrang des egozentrischen Verhaltens zu sich vor dem voreilig vergegenständlichten interpersonalen Verhalten zu Anderen.
Aus dieser Beobachtung zieht er eine Konsequenz für den Ansatz der praktischen Philosophie, die ihn die kommenden Jahrzehnte beschäftigen wird. Denn die Egozentrik der "ich sagenden" Person erklärt, warum die Ethik von den Gefühlen und Wünschen der einzelnen Person ausgehen müsse – und von der entsprechenden Frage, was jeweils "für mich" gut und wichtig ist. Eine besondere Rolle soll dabei etwa das Bedürfnis nach der sozialen Anerkennung der eigenen, selbst für wichtig und richtig gehaltenen Leistungen spielen.