Wednesday, March 10, 2010

Manfred Frank on Sloterdijk - the "Honneth/Sloterdijk debate" continues

"Frankfurter Allgemeine Zeitung" has today an article by professor Manfred Frank on the connection between philosophy and social crises - "Die spätgriechische Dekadenz" (March 10, 2010).

In the last part of the article Manfred Frank attacks Peter Sloterdijk and his critique of the tax-financed welfare state. The so-called "Honneth/Sloterdijk debate" continues!

Here are some excerpts:

"Die von den Frühromantikern gegebene Diagnose des Legitimationsproblems der Moderne zeigt ihre Kraft darin, dass das Problem ungelöst fortbesteht. Und wieder sehen wir zwei Diskurse im Wettstreit um seine Lösung: den religiösen und den philosophischen. Der letztere traut der Menschenvernunft zu, die normativen Potentiale der Vorweltreligion mit ihren eigenen Mitteln zu beerben, ohne selbst die Sprache der Religion zu reden."

"Es gibt aber eine dritte Art von Reaktion auf die jüngste Krise, und sie ist gefährlicher. Statt die dem Leben in gesellschaftlicher Kooperation innewohnenden normativen Potentiale aufzurufen, träumt sie von der "Züchtung" eines neuen Menschen, den Sinnfragen nicht mehr kratzen, weil er den Humanismus in sich ertötet hat. Wer sich zu Werten wie Solidarität und Gerechtigkeit bekennt, muss sich als "weiches", als "Dattel-Herz" verspotten lassen, als "Milch-Busen" und "Süßholz-Herz-Beutelchen". "Oh Humanität! Oh Blödsinn!", rufen die über die Aufklärung aufgeklärten Vernunftfeinde und weisen uns den Weg für das, was Nietzsche "die große Politik", das "Gefährlichdenken" und Peter Sloterdijk die "gattungspolitische Entscheidung" nennt." (.....)

"Sloterdijk hat sich zu Recht von den "Philosophieprofessoren" abgegrenzt, weil er ihr Handwerk verachtet - und wirklich auch nicht gelernt hat. (.....) Die Kunst der Argumentation ist das Handwerk, der lernbare, methodische Anteil der Philosophie, den "die Schule" vermittelt. Darin besteht ihre unscheinbare Würde. Die Schulverachtung postmoderner Jugendsekten ersetzt kein Argument: Den einzigen Triumph feiert, wer es besser macht als der Schulmeister. Sloterdijk versteckt sein Schulmanko jedoch hinter einer gleisnerisch-geistreichen und belebenden Suada voller aufgedonnerter wie erlesener Fremdworte (wie jüngst "thymotisch") und aparter Begriffszusammenstellungen nach Foucaults Manier (Menschenpark, Menschentreibhaus, Makrosphärologie, politische Kinetik, Anthropotechnik, Staats-Kleptokratie), die wegen Ungewohnheit verblüffen, aber bei genauer Betrachtung keine argumentative Arbeit leisten." (.....)

"Nun würde Sloterdijks Aversion gegen eine gewisse Argumentationskultur sowie die Frankfurter Schule niemanden beunruhigen, wenn die Motive nicht von Allgemeininteresse wären. Am Anfang des Elends sieht Sloterdijk Rousseau. Leicht lässt er sich identifizieren als der geistige Anstifter einer leistungsträgerfeindlichen Miesmachungskampagne, deren letztes Glied die Kritische Theorie zu sein scheint. (.....) Leistungsbringer wie Sloterdijk werden von legal dazu ermächtigten leistungsschwachen Plebejern, von Sozialparasiten ausgesaugt. Statt den Enteigneten Recht zu verschaffen, ist der moderne Staat "eine beinahe selbstlose, rechtlich gezügelte Staats-Kleptokratie geworden". Zwar haben Steuerrechtler und Wirtschaftsfachleute Sloterdijk rasch eine Konfusion von Leistung und Verdienst nachgewiesen - davon abgesehen, dass die von Sloterdijk beklagte progressive Einkommensteuer weniger als dreißig Prozent aller Steuereinnahmen ausmacht. Und nur von diesem Anteil erbringt, wie Sloterdijk sich empört, "eine Handvoll Leistungsträger gelassen mehr als die Hälfte". Der Erbe eines großen Vermögens, der Börsenspekulant, der Kasino-Kapitalist oder der Autor leicht lesbarer und massenhaft verkaufbarer Bahnhofsromane - Personen, die Sloterdijk wegen ihrer vergleichsweise höheren Einkommensteuer umstandslos zu den "produktiven Schichten" schlagen muss - erreichen erwartbarerweise ein größeres Einkommen als der Wissenschaftler, der ein maßgebendes Fachbuch schreibt und daran wenig oder nichts verdient." (.....)

"Nein, nicht Unprofessionalität qualifiziert Sloterdijks Interventionen zum Symptom einer Krise. (.....) Die Philosophie überlebt nur, solange Argumente und ihre Überzeugungen begründende Kraft auf einen gesellschaftlich akzeptierten Vertrauensvorschuss rechnen dürfen. Dass Sloterdijk und seine Bücher Erfolg bei deutschen Lesern haben finden können, ist Symptom des Fortbestands der Krise, auf die die Philosophie der Griechen sich einmal als Lösung verstand. Es ist die Krise der Philosophie selbst. Man muss sich Sisyphos als Philosophen vorstellen."

Manfred Frank is Professor of Philosophy at the University of Tübingen. He has written extensively on romanticism, German idealism, and analytic philosophy.

See my links to previous contributions to the Honneth/Sloterdijk debate here.

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