Thursday, October 20, 2016

Axel Honneth on Bob Dylan

In "Die Zeit" (October 20, 2016) Axel Honneth pays tribute to Bob Dylan, who was awarded the 2016 Nobel Prize for literature:

Unser Walt Whitman
Bob Dylan ist der Dichter unserer Einsamkeit und unserer Gemeinsamkeit
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Excerpts:
"Was an diesem singenden Poeten so groß ist, das es voll ends gerechtfertigt erscheinen lässt, ihm den Preis zuzusprechen, ist vielleicht gar nicht leicht denen zu erklären, die sich nicht bereits in seinem Bann befinden. Es begann vor etwa fünfzig Jahren, als einer der vielen Songs aus seinem Mund – ob es nun Like a Rolling Stone war, Mr. Tambourine Man oder It Ain’t Me Babe, spielt beinah keine Rolle – plötzlich mir, nein, uns aufschloss, wie wir uns zukünftig zu dieser Welt stellen und uns in ihr verhalten sollten: mit Distanz, aber ohne Verrat unserer Bindungen, mit Sympathie für die Schlechtergestellten, aber ohne die auftrumpfende Gebärde des Besserwissens, mit dem Bewusstsein des Alleinseins, aber ohne die bedrückende Empfindung, damit allein zu sein. Spielerisch hat Dylan, ohne es wissen zu können, die Kluft zwischen dem Existenzialismus der fünfziger Jahre und dem Geist der Revolte der siebziger Jahre geschlossen, hat den Gestus des trotzigen Individualismus in den Strom der solidarischen Bewegungen hinüberretten können." (.....)

"So gelingt, was ansonsten nur große Poesie vermag, allerdings im Medium des Allerverständlichsten, dem unerschöpflichen Strom der Musik des nordamerikanischen Kontinents: das Festhalten der Erfahrung, in der disparaten Vielzahl unserer je individuellsten Empfindungen doch einer Gemeinschaft von Gleichgesinnten anzugehören." (.....)

"Wie gut, dass das schwedische Preiskomitee den Mut besaß, die Grenzen des Literarischen neu zu ziehen. Als der durch die Welt reisende Bänkelsänger am Donnerstag abend auf einer Bühne in Las Vegasseine never ending tour fortsetzte, so wird berichtet, ließ er die tektonische Erschütterung, die seine Auszeichnung für unsere Kultur bedeutet, mit keinem Wimpernschlag erkennen – ein stoischer Walt Whitman unserer Tage, der uns mit knarrender Stimme davon singt, wie wir uns ohne Verrat unseres vielstimmigen Ichs als Glieder einer umfassenderen Bewegung begreifen können, die sich den Verfehlungen dieser Welt widersetzt."

See also the comments by Salman Rushdie, Seamus Perry, Joyce Carol Oates, and Will Self.

See Cass R. Sunstein's "How Bob Dylan Surpassed Whitman as the American Poet".

In 2007 Axel Honneth (together with Peter Kemper and Richard Klein) edited a book on Bob Dylan (Suhrkamp Verlag) with essays by Michael Gray, Axel Honneth, Susan Neiman et.al. 

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