Wednesday, June 12, 2019

"Die Zeit" honors Habermas [updated]

The culture section of the German weekly "Die Zeit" (June 13, 2019) features 23 articles in honor of Jürgen Habermas, who turns 90 on June 18: 




Alexander Cammann - "Ein genialer Typ"

Peter E. Gordon - "Seine Philosophie har die Lehren der Katastrophe verinnerlict"

Excerpt: "Die bürgerliche Gesellschaft sei fest mit Privilegien verbunden, ihre Institutionen aber enthielten nichtsdestoweniger glaubhaft "die Idee ihrer eigenen Aufhebung". Dieses doppelte Bewusstsein bleibt einer der größten Vorzüge von Habermas’ Kritischer Theorie: Die normativen Energien, die wir für den sozialen Wandel brauchen, stehen uns bereits in dem unerfüllten Versprechen der öffentlichen Vernunft selbst zu Gebote. Sein Leben lang ist Habermas diesem Ideal treu geblieben. Dafür sollten wir ihm ewig dankbar sein."

Karl Heinz Bohrer - "Eine Erscheinung. Wie ein impulsiver Künstler"

Excerpt: "Er könnte ein Maler, ein Dichter sein, eine Erscheinung, von der man Unerwartetes erwartet, die überrascht. Dem entspricht eine bei seinen philosophischen Zeitgenossen – sei es Niklas Luhmann oder Dieter Henrich – unvorstellbare Eigenschaft: die Neigung zu metaphorisch ausgestatteten Zornausbrüchen, zur explosiven, blumigen Schmährede, wenn es sich denn so ergibt – öffentlich, aber auch sehr gerne privat. Impulsivität! Nicht bloß, weil er ein Rheinländer ist."

Martin Seel - "In Machinenraum des Denkens"

Jürgen Habermas (2016): "Wenn wir die Struktur der Sprache ohne Reserve verstehen wollen, müssen wir ihre Widerstandskraft gegenüber allen Tendenzen ihrer ideologischen Bereinigung beim Wort nehmen. So hat es bereits der junge Johann Gottfried Herder in seinen Fragmenten Über die neuere deutsche Literatur von 1767 gesehen. Angesichts zeitgenössischer Bemühungen, den Spielraum der Sprache einzuengen, besteht er darauf, "daß das Reich einer lebendigen Sprache Demokratie ist; das Volk regiert, und duldet keine Tyrannen: der Sprachgebrauch herrscht und ist schwer zu bändigen"".

Zhang Shuangli - "Neu lesen. Was chinesische Intellektuelle von ihm lernen"

Richard J. Bernstein - "Es war ein Schock"

Eva Illouz - "Allzu nüchterne Stimme der Vernunft"

Manfred Frank - "Was bei ihm fehlt"

Armin von Bogdandy - "Wie die deutsch Elf in Brasilien"

Rahel Jaeggi - "Moralisieren ist überflüssig"

Kenichi Mishima - "Er har doch Recht"

Helga Nowotny - "Ein Frankfurter in New York"

Hartmut Rosa - "Petitionen mag er nicht"

Claus Offe - "Vorwärtsverteidiger"

Excerpt: "Ohne die objektive Gewalt ökonomischer und institutioneller Gegebenheiten mit ihren horrenden Ermächtigungs- und Begünstigungseffekten (mitsamt ihren Gegenteilen) zu unterschätzen, hat er doch stets auf eine jedenfalls potenziell überlegene Gegenmacht vernunftbegabter Akteure und ihre demokratischen Kommunikationsverhältnisse gesetzt. Auch für sein von Freunden wie Gegnern gerühmtes Talent, noch im neunten Lebensjahrzehnt sowohl idealistische Hoffnungen zu hegen wie zugleich mit Selbstrevisionen an die Grenze der Hoffnungslosigkeit zu geraten, fällt mir aus der Gelehrtenwelt keine Parallele ein."

Rainer Forst - "Was auf Spiel steht"

Excerpt: "Er lässt freilich die Metaphysik Platons ebenso hinter sich wie die Kants und sucht die "transzendenz von innen", wie er dies einmal nannte, in der Rationalität, die in unserer alltäglichen kommunikativen Praxis selbst angelegt ist. Die Welt der Vernunft, in der Freie und Gleiche einander respektieren und sich diskursiv selbst bestimmen, ist damit Teil unserer Welt und weist doch weit über sie hinaus. Denn so frei und gleich sind wir faktisch nie. Und sind es doch, kontrafaktisch."

Axel Honneth - "Ein Spurenleser"

Excerpt: "Wirft man einen Blick in das im Herbst erscheinende Riesenwerk Auch eine Geschichte der Philosophie, so kann man sich eines Schmunzelns nicht erwehren; wer sich im Alter bislang unverarbeitete Etappen der Philosophiegeschichte gänzlich neu anzueignen vermag, der kann seinen jugendlichen Wissensdurst und seinen stupenden Verarbeitungswillen nicht verloren haben. Und plötzlich weiß man, was einen an der Person stets am stärksten beeindruckt hat: gewiss die ruhelose Intellektualität, auch die synthetisierende Kraft des Denkens, vorrangig aber der jung gebliebene Wille, in allem, was theoretisch verfügbar ist, die Spuren einer sich in der Geschichte entfaltenden Vernunft der intersubjektiven Verständigung offenzulegen."

Andrea Sangiovanni - "Jürgen und Jack" [John Rawls]

Rajeev Bhargava - "Ein neuer heller Stern"

Agnes Heller - "Wir alle meinten, mit unserem Denken die Welt erlösen zu können" (interview)

Excerpt: "Er blieb und bleibt als Philosoph ein anständiger Bürger, unabhängig von den Moden des Denkens. Mit dem politischen Tier Habermas habe ich immer sympathisiert, bei allen Unterschieden im Philosophischen. Heute bin ich auch mit seiner Philosophie der postsäkularen Gesellschaft einverstanden, in der die Religion ernst genommen wird. Aber der Mensch Jürgen Habermas ist mir viel wichtiger als die Frage, ob er Foucault verstanden hat. Würde ich eine Tragödie schreiben, so wäre Habermas der Held dieser Tragödie."

Christoph Menke - "Das Unbedingte und seine Verwirklichung"

Excerpts: "Der Kritiker, der über das Wahre und das Falsche in Habermas’ Philosophie urteilen zu können meint, erkennt sich selbst als – Habermasianer." (.....) "Habermas denkt, dass die Verfahren des rationalen Diskurses und des liberal-demokratischen Rechtsstaats, die die Moderne ausgebildet hat, die Spannung zwischen Unbedingtheit und Verwirklichung in sich aushalten und austragen können: dass sie die institutionelle Lösung für ihr Zugleich sind. Aber das sind sie nicht; sie stellen diese Spannung still. Sie berauben die Wahrheit und die Gerechtigkeit ihrer Unbedingtheit."

Seyla Benhabib - "Wir sind keine Machinen. Wir sind Menschen" 

Excerpt: "Zu Recht kann sich Habermas den Titel des Weltbürgers mit Karl Jaspers teilen. Doch derzeit wird seine Idee einer deliberativen Öffentlichkeit, die ihre Bürger an ihren Entscheidungsprozessen beteiligt, durch die »postfaktische« Politik grundsätzlich infrage gestellt. Aus der Perspektive der politischen Philosophie gibt es keinen Zweifel daran, dass ein Verschwinden dieser kommunikativen Rationalität auch das Ende unserer Demokratien bedeutet."

Sigmar Gabriel - "Man sollte nie unvorbereitet zu ihm gehen"

Excerpt: "Vor allem hier ist meine Partei Jürgen Habermas zu tiefem Dank verpflichtet, nicht nur weil die Sozialdemokratie seinem Denken und seinen Interventionen viele wichtige Impulse verdankt, sondern weil er stets zum unmittelbaren und auch persönlichen Gedankenaustausch bereit war."

Ivan Krastev - "Habe ihn nie zitiert"

Excerpt: "Nachdem die europäische Demokratie in einer Krise steckt und die Notwendigkeit, sie zu bewahren, politisches und intellektuelles Engagement erfordert, ist mir klar geworden, dass man sich zur Verteidigung der demokratischen Regierungsform Europas hinter Jürgen Habermas’ Vision von demokratischer Politik stellen muss. So fühle ich mich wie Molières Monsieur Jourdain, als er entdeckt, dass er sein ganzes Leben lang Prosa gesprochen hat, ohne es zu wissen. Während ich dem Denken Dahrendorfs immer noch näher stehe, habe ich in letzter Zeit festgestellt, dass ich als Habermasianer argumentiere."

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