Monday, July 22, 2013

Review of Habermas's new book in taz

In "Die Tageszeitung" July 20, 2013, Rudolf Walther reviews "Im Sog der Technokratie" by Jürgen Habermas:

"Fortschritte und Probleme bei der Zivilisierung"

Excerpts
Habermas’ politische Schriften reagieren auf die Aktualität. Im zwölften Band bilden diesen politischen Schwerpunkt „die europäischen Dinge“, die ihn seit über 20 Jahren beschäftigen. Von den zwölf Texten handelt die Hälfte von „europäischen Zuständen“ und dem Problem der fortschreitenden Aushöhlung der Demokratie durch ein technokratisches Regime unter dem Etikett „Governance“. [.....]

Die Beiträge zu Europa stehen im Bann der seit 2007/08 herrschenden Wirtschafts-, Währungs- und Schuldenkrise, also der „Erpressung der Euro-Staaten durch die Finanzmärkte“ und des technokratischen Krisenregiments der Troika aus Europäischem Rat, Brüsseler Kommission und EZB. Diesem Krisenmanagement fehlt es an demokratischer Legitimität und politischer Perspektive. 

Habermas plädiert für eine „Erweiterung der Wir-Perspektive vom Staatsbürger zum europäischen Bürger“ und eine „Verschiebung der Gewichte zwischen Politik und Markt“ zugunsten von mehr Demokratie und mehr Europa, um den Praktiken „neoliberaler Selbstentmächtigung“ ein Ende zu bereiten. Politisch verstandene Solidarität der reichen EU-Staaten mit den armen Ländern des Südens ist keine moralisierende Forderung, sondern eine Konsequenz aus der „normativen Verpflichtung“ (Claus Offe) des Exportweltmeisters, der noch von der Krise profitierte. 

Habermas geriert sich weder als EU-Prophet noch als „Realpolitiker“, der sich in „zynischem Defaitismus“einrichtet, sondern sieht in der Entthronung des Europäischen Rates und in der Errichtung einer „politischen Union“ auf der Basis einer supranationalen Demokratie eine Chance. Darin unterscheidet er sich von der Diagnose des Soziologen Wolfgang Streeck in seinem erfolgreichem Buch „Gekaufte Zeit“. Streeck verabschiedet sich von der EU und vom Euro und plädiert für eine Rückkehr zu mehr nationalstaatlicher Souveränität. Habermas sieht darin einen historischen Fehler, den linke Parteien 1914 machten: Aus Angst, von den Nationalisten als „vaterlandslose Gesellen“ verunglimpft zuwerden, marschierten sie mit –in den Krieg. Mit starken Argumenten warnt Habermas vor einer „Umfälschung von sozialen in nationale Fragen“ mit den Rosstäuscherparolen „Nation“ und „Identität“.

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