The latest issue of the German journal "Hohe Luft" (2012 no. 3) features an interview with professor John Searle, titled "Der Drachentöter" [The dragon killer].
In the interview John Searle has the following comments on Jürgen Habermas's theory of communicative actions:
Searle:
Alle institutionellen Tatsachen erfordern Sprache. Man kann keine Rechte, Pflichten, Verpflichtungen, Befugnisse, Erlaubnisse, keine Regierung und kein Geld erzeugen, ohne sie irgendwie repräsentieren zu können. Das leuchtet ja auch intuitive in. Wir können uns eine Gesellschaft mit Sprache, aber ohne Geld, Privateigentum und Regierung vorstellen. Aber nicht das Umgekehrte. Zur Vorstellung einer Regierung gehört die Vorstellung von Methoden der Machtverteilung. Das bedeutet Sprache.
Q:
Was die zentrale Rolle der Sprache betrifft, dürften Sie weithin Zustimmung finden. Jürgen Habermas ...
Searle:
Habermas hat keine Theorie der sozialen Ontologie. Er hat etwas, das er Theorie des kommunikativen Handelns nennt. Er sagt, dass der (deutsch) "Zweck" von Sprache kommunikatives Handeln ist. Das ist falsch. Der Zweck von Sprache ist es, Sprechakte auszuführen. Seine Vorstellung von kommunikativem Handeln besteht darin, Übereinstimmung durch rationale Diskussion zu erreichen. Das hat eine gewisse Ironie , weil Habermas im Dritten Reich aufgewachsen ist, in dem ein eandere Theorie herrschte: das (deutsch) "Führerprinzip". Und das bestand nicht darin, dass allgemeine Übereinstimmung von unten aufsteigt. Es bestand in Führung von oben. Die Theorie des kommunikativen Handelns sagt, dass wir alle in Gleichheit zusammenkommen sollen - (deutsch) "herrschaftsfrei" - und dann zu Übereinstimmung finden sollen. Sehr hübsch. Aber das ist nicht notwendig für Sprache. Das Dritte Reich hatte die ganze Zeit Sprache: (deutsch) "Ein Volk, ein Reich, ein Führer!" Das war nicht kommunikatives Handeln im Habermas'schen Sinn. Es sind also Gesellschaften möglich, die nicht daran glauben, Übereinstimmung durch rationale Diskussion zu erreichen. Aber keine Gesellschaften ohne Statusfunktionen.
Q:
Habermas will ja nicht die Bedingungen für Gesellschaft finden. Er will beschreiben, wie eine Gesellschaft sein sollte.
Searle:
Ja, das ist, wie es sein sollte. Aber nicht, wie es ist. Kommunikatives Handeln ist nicht der Zweck von Sprache. Es gibt Sprache ohne kommunikatives Handeln in seinem Sinn. Aber nicht ohne Sprechakte. Es liegt immer noch an den Menschen, die Gesellschaft zu gestalten, ob autoritär oder im Habermas'schen Sinn.
The interview was conducted by Tobias Hürter and Thomas Vasek.
John Searle is Professor of Philosophy at the University of California, Berkeley.
In the interview John Searle has the following comments on Jürgen Habermas's theory of communicative actions:
Searle:
Alle institutionellen Tatsachen erfordern Sprache. Man kann keine Rechte, Pflichten, Verpflichtungen, Befugnisse, Erlaubnisse, keine Regierung und kein Geld erzeugen, ohne sie irgendwie repräsentieren zu können. Das leuchtet ja auch intuitive in. Wir können uns eine Gesellschaft mit Sprache, aber ohne Geld, Privateigentum und Regierung vorstellen. Aber nicht das Umgekehrte. Zur Vorstellung einer Regierung gehört die Vorstellung von Methoden der Machtverteilung. Das bedeutet Sprache.
Q:
Was die zentrale Rolle der Sprache betrifft, dürften Sie weithin Zustimmung finden. Jürgen Habermas ...
Searle:
Habermas hat keine Theorie der sozialen Ontologie. Er hat etwas, das er Theorie des kommunikativen Handelns nennt. Er sagt, dass der (deutsch) "Zweck" von Sprache kommunikatives Handeln ist. Das ist falsch. Der Zweck von Sprache ist es, Sprechakte auszuführen. Seine Vorstellung von kommunikativem Handeln besteht darin, Übereinstimmung durch rationale Diskussion zu erreichen. Das hat eine gewisse Ironie , weil Habermas im Dritten Reich aufgewachsen ist, in dem ein eandere Theorie herrschte: das (deutsch) "Führerprinzip". Und das bestand nicht darin, dass allgemeine Übereinstimmung von unten aufsteigt. Es bestand in Führung von oben. Die Theorie des kommunikativen Handelns sagt, dass wir alle in Gleichheit zusammenkommen sollen - (deutsch) "herrschaftsfrei" - und dann zu Übereinstimmung finden sollen. Sehr hübsch. Aber das ist nicht notwendig für Sprache. Das Dritte Reich hatte die ganze Zeit Sprache: (deutsch) "Ein Volk, ein Reich, ein Führer!" Das war nicht kommunikatives Handeln im Habermas'schen Sinn. Es sind also Gesellschaften möglich, die nicht daran glauben, Übereinstimmung durch rationale Diskussion zu erreichen. Aber keine Gesellschaften ohne Statusfunktionen.
Q:
Habermas will ja nicht die Bedingungen für Gesellschaft finden. Er will beschreiben, wie eine Gesellschaft sein sollte.
Searle:
Ja, das ist, wie es sein sollte. Aber nicht, wie es ist. Kommunikatives Handeln ist nicht der Zweck von Sprache. Es gibt Sprache ohne kommunikatives Handeln in seinem Sinn. Aber nicht ohne Sprechakte. Es liegt immer noch an den Menschen, die Gesellschaft zu gestalten, ob autoritär oder im Habermas'schen Sinn.
The interview was conducted by Tobias Hürter and Thomas Vasek.
John Searle is Professor of Philosophy at the University of California, Berkeley.
2 comments:
Searle has not hit the mark here. His error is a common one. For Habermas, communicative action is --oriented towards-- common agreement. That agreement does not need to be present for this to be the case. Habermas explains distorted communication very well.
There may be speech acts that are not interpreted in reference to validity but those that are get a very rich description from Habermas.
I think Searle attacks here the habermasian interpretation of agreement as a final end in communication, in the sense of an objective of the hidden logic of language.
But that´s not even a new critique. Just the old debate on Habermas concept of Consensus. In my opinion the account Searle uses in his social ontology doesn´t change his previous approach in Speech Acts: no normativity is to be analysed as a constitutive feature of language, because it derives from our institutional decisions, or whatever he may call our speech act in the social contexts.
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