In "Frankfurter Allgemeine Zeitung" (August 4, 2012), Peter Bofinger, Jürgen Habermas, and Julian Nida-Rümelin have published an appeal for a new European policy:
"
Einspruch gegen die Fassadendemokratie"
(The original text: "
Für einen Kurswechsel in der Europa-Politik" [pdf])
Update:
An English translation (by Allan Blunden):
"
Only deeper European unification can save the eurozone"
(The Guardian, August 9, 2012)
"
The Case for a Change of Course in European Policy"
(Social Europe Journal, August 9, 2012).
Update II:
A French translation in "Le Monde (August 27, 2012): "
Plus que jamais, l'Europe"
Excerpts:
"Nur mit einer deutlichen Vertiefung der Integration lässt sich eine gemeinsame Währung aufrechterhalten, ohne dass es einer nicht endenden Kette von Hilfsmaßnahmen bedarf, die die Solidarität der europäischen Staatsvölker im Währungsraum auf beiden Seiten, der Geber- wie der Nehmerländer, langfristig überfordern würde. Eine Souveränitätsübertragung auf europäische Institutionen ist dafür jedoch unvermeidlich, um Fiskaldisziplin wirksam durchzusetzen und zudem ein stabiles Finanzsystem zu garantieren. Zugleich bedarf es einer stärkeren Koordinierung von Finanz-, Wirtschafts- und Sozialpolitiken der Mitgliedsländer mit dem Ziel, die strukturellen Ungleichgewichte im gemeinsamen Währungsraum auszugleichen." [.....]
"Aus einer über die aktuelle Krise hinausgreifenden Perspektive hängt daran auch das Versprechen eines "sozialen Europas". Denn nur für ein politisch geeintes Kerneuropa besteht die Aussicht, den inzwischen fortgeschrittenen Prozess der Umwandlung der sozialstaatlichen Bürgerdemokratie in eine marktkonforme Fassadendemokratie umkehren zu können." [.....]
"Solange die Regierungen nicht sagen, was sie faktisch tun, höhlen sie die schwachen demokratischen Grundlagen der Europäischen Union noch weiter aus. Der Schlachtruf des amerikanischen Unabhängigkeitskampfes "No taxation without representation" findet heute eine überraschende Lesart: Sobald wir in der Eurozone den Spielraum für Politiken schaffen, die über nationale Grenzen hinweg Umverteilungseffekte zur Folge haben, muss auch ein europäischer Gesetzgeber, der die Bürger (unmittelbar über das Europäische Parlament und mittelbar über den Rat) vertritt, über diese Politiken beschließen können. Sonst verstoßen wir gegen das Prinzip, dass der Gesetzgeber, der über die Verteilung der Staatsausgaben beschließt, mit dem demokratisch gewählten Gesetzgeber identisch ist, der für diese Ausgaben Steuern erhebt." [.....]
"Die Bundesrepublik sollte, als Repräsentantin des größten "Geberlandes" im Europäischen Rat, die Initiative zu einem Beschluss über die Einberufung eines Verfassungskonvents ergreifen. [.....] Die Strategie der Vertragsänderung zielt auf die Gründung eines politisch geeinten, kerneuropäischen Währungs-gebietes, das für Beitritte anderer EU-Länder, insbesondere Polens, offen steht. Das erfordert klare verfassungspolitische Vorstellungen von einer supranationalen Demokratie, die ein gemeinsames Regieren erlauben, ohne die Gestalt eines Bundesstaates anzunehmen." [.....]
"Eine Diskussion über die finalité des Einigungsprozesses böte die Gelegenheit, den bisher auf wirtschaftliche Fragen eingeengten Fokus der öffentlichen Diskussion zu erweitern. Die Wahrnehmung der weltpolitischen Macht-verschiebung von West nach Ost und das Gespür für eine Veränderung im Verhältnis zu den Vereinigten Staaten rücken die synergetischen Vorteile einer europäischen Einigung in ein anderes Licht. [.....] Die europäischen Bevölkerungen müssen lernen, dass sie ihr sozialstaatliches Gesellschafts-modell und die nationalstaatliche Vielfalt ihrer Kulturen nur noch gemeinsam behaupten können. Sie müssen ihre Kräfte bündeln, wenn sie überhaupt noch auf die Agenda der Weltpolitik und die Lösung globaler Probleme Einfluss nehmen wollen."
Peter Bofinger is Professor of Economics at the University of Würzburg. Since 2004, he has been a member of the German Government’s
Council of Economic Advisors.
Jürgen Habermas is Emeritus Professor of Philosophy at the Johann Wolfgang Goethe University of Frankfurt.
Julian Nida-Rümelin is Professor of Philosophy at the University of Munich. In 2001-2002 Nida-Rümelin was State Minister for Culture and Media.
All three scientists are members of the Social Democratic Party (SPD). The appeal is part of a discussion within the SPD. See the story on SPD's website
here.