Friday, July 22, 2011

Habermas: How Democratic is the EU?

"Blätter für deutsche und internationale Politik" (August 2011) has an article by Jürgen Habermas on the current crisis in the EU:

Wie demokratisch ist die EU?
Die Krise der Europäischen Union im Licht einer Konstitutionalisierung des Völkerrechts

The article is an enlarged version of Habermas's speech at Humboldt University, Berlin, on June 16, 2011. The speech was published in "Der Handelsblatt", June 17, 2011, entitled "Das Europa der Staatsbürger". See my post here.

Excerpts:
"Eines Tages wird man im Rückblick erkennen, dass die Politik in dem Augenblick, als die List der ökonomischen Vernunft das Thema ans Tageslicht brachte, an der Schwelle von der ökonomischen zur politischen Einigung Europas unschlüssig den Atem angehalten hat. Gewiss, angesichts der gegenwärtigen Krise wird oft gefragt, warum wir überhaupt an der EU, gar an dem Ziel einer engeren politischen Union festhalten sollen, wo sich doch das ursprüngliche Motiv, Kriege in Europa unmöglich zu machen, erschöpft habe. Darauf gibt es nicht nur eine gute Antwort. Ich möchte den Versuch machen, ein neues, überzeugendes Narrativ aus der Sicht eines inspirierten Völkerrechts zu entwickeln und die Europäische Union als einen Schritt auf dem Wege zu einer politisch verfassten Weltgesellschaft zu begreifen. Nach meiner Einschätzung kann das bisher von den politischen Eliten hinter verschlossenen Türen betriebene Projekt nicht mehr ohne eine normativ ansteckende Perspektive auf den hemdsärmeligen Modus eines lärmend-argumentierenden Meinungskampfes in der breiten Öffentlichkeit umgepolt werden. [....] Die anhaltende politische Fragmentierung steht im Widerspruch zum systemischen Zusammenwachsen der Weltgesellschaft und blockiert Fortschritte in der rechtlichen „Zivilisierung“ der zwischenstaatlichen Gewalt. [....]

[Ich muss].... zunächst eine Denkblockade beiseiteräumen, die mit einem kollektivistisch missverstandenen Demokratiebegriff den Blick nach vorn versperrt (1). Die Transnationalisierung der Volkssouveränität möchte ich sodann mit Hilfe von drei variablen Bestandteilen begreifen, die nur auf der nationalen Ebene ganz zur Deckung kommen – zum einen die horizontale Vergemeinschaftung von freien und gleichen Rechtspersonen, zum anderen die staatliche Organisation und schließlich das Integrationsmedium staatsbürgerlicher Solidarität (2). Auf der europäischen Ebene treten diese Bestandteile in eine neue Konstellation. Die Gesamtheit der Unionsbürger teilt sich die Souveränität mit den Völkern der Mitgliedstaaten, die ihr Gewaltmonopol behalten, sich aber dem supranational gesetzten Recht unterordnen (3). Diese Rekonfiguration der Bestandteile eines demokratischen Gemeinwesens müsste keine Legitimationseinbuße bedeuten, weil die Bürger Europas gute Gründe dafür haben, dass der jeweils eigene Nationalstaat in der Rolle eines Mitgliedstaates weiterhin die bewährte Rolle eines Garanten von Recht und Freiheit spielt. Allerdings müsste die Teilung der Souveränität zwischen den Bürgern der Europäischen Union und den Völkern der Mitgliedstaaten dann auch in den Formen der Mitgesetzgebung konsequent umgesetzt werden (4). Am Schluss komme ich auf das Thema jener Grenzen staatsbürgerlicher Solidarität zurück, die in der aktuellen Krise so erschreckend hervortreten (5)."


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