July 19, 2012, Jürgen Habermas talked at "The Carl Friedrich von Siemens Stiftung" in Munich. Here he discussed his views on religion in the secular society with Friedrich Wilhelm Graf, who is Professor of Theology at the University of Munich.
Reports of the discussion:
Christian Greyer - "Gefährlicher mentaler Stoff"
(Frankfurter Allgemeine Zeitung, July 21, 2012)
Uwe Justus Wenzel - "Sollen die Gläubigen an die Demokratie glauben?" (Neue Zürcher Zeitung, July 23, 2012)
Michael Stallknecht - "Da gräbt einer nach der knappen Ressource Solidarität"
(Süddeutsche Zeitung, July 21, 2012) [Not available online]
Excerpts from Stallknecht's report:
Folgt man Friedrich Wilhelm Graf, dann ist der Philosoph Jürgen Habernas inzwischen also ein "Sozialkonservativer". Dass die Institutionen des säkularen Staates zu schwach sein, um die individualistische Auflösung der Gesellschaft zu verhindern, stellte der Theologe Graf als typische Position einiger Konservativer des 19. Jahrhunderts dar, etwa der französischen Staatstheoretiker Joseph de Maistre oder L. G. A. de Bonnard. Ein liberaler Staat werde notwendig auch vom liberalen Markt zerstört, postulierten sie, am Ende blieben wenige starke Gewinner. Genau das aber ist, auch wenn Graf diesen Bezug nicht ausdrücklich herstellt, die Überlegung von Habermas: dass es, wo der globale Kapitalismus sich gegenüber politischer Einflussnahme zunehmend verselbständige, vielleicht der Religion bedürfe, um die "knappe Ressource Solidarität! aufrechtzuerhalten.
(…….)
Für viele Kulturen, erinnert Habermas, stelle die Säkularisierung auch heute "einen Schock" dar. So beschreite der Westen etwa mit der strikten Trennung von Glauben und Wissen sonst in der Regel den Charakter eines Heilsweges, so werde die moderne Wissenschaft im Laufe der Neuzeit für das gute Leben unzuständig.
Für Habermas darf das aber nun eben nicht bedeuten, dass etwa bei Stammzell-debatten nur noch der Biologe gefragt werde, weil diese Fragen sich rein szientistisch schlicht nicht verhandeln liessen. Zugleich müsse sich der Westen daran erinnern, dass "der weltgeschichtliche Bruch der Säkularisierung" in seiner endgültigen Form gerade einmal zweihundert Jahre alt sei. Deshalb verdienen religiöse Gruppierungen für Habermas schon historisch mehr Gehör als andere Interessengruppen. Wie im geschichtlichen Prozess sakrale Begriffe oft in säkulare überführt worden seien, wie also zum Beispiel die Aufklärung von der Religion ein ethisches Destillat erstellt habe, so könnten wir schlicht nicht wissen, ob in religiösen Begriffen unserer Tage nicht noch "unabgegoltene Geltungsansprüche" steckten, die es der Vernunft zuzuführen gelte.
Das alles bedeuten natürlich keinerlei Abwendung von der Moderne. "Man kann etwas aus guten Gründen verloben haben" , sagt Habermas. So argumentiert er etwa hinsichtlich der Konfrontation mit traditionellen Kulturen nicht kulturalistisch. Der Universalitätsanspruch des säkularen Vernunftkonzeptes steht nicht zur Disposition; fremden Kulturen, sagt Habermas in München, gelte es "ebenso lernbereit wie selbstbewusst" gegenüberzutreten. Er sei sich bloss nicht sicher, ob eine "schwach modellierte Vernunftmoral" ohne religiösen Hintergrund etwa eine künftige Weltgesellschaft zu tragen vermöge.
Ebenso warnt Habermas vor allen Formen der Sakralisierung auf Staatsebene. Die Menschenrechte etwa seien Grundrechte und damit einfach Rechte, es gebe nicht den mindesten Grund, hinter die Herausbildung, selbsttragender Rechtssysteme in religiöse Überhöhungen zurückzufallen.
Reports of the discussion:
Christian Greyer - "Gefährlicher mentaler Stoff"
(Frankfurter Allgemeine Zeitung, July 21, 2012)
Uwe Justus Wenzel - "Sollen die Gläubigen an die Demokratie glauben?" (Neue Zürcher Zeitung, July 23, 2012)
Michael Stallknecht - "Da gräbt einer nach der knappen Ressource Solidarität"
(Süddeutsche Zeitung, July 21, 2012) [Not available online]
Excerpts from Stallknecht's report:
Folgt man Friedrich Wilhelm Graf, dann ist der Philosoph Jürgen Habernas inzwischen also ein "Sozialkonservativer". Dass die Institutionen des säkularen Staates zu schwach sein, um die individualistische Auflösung der Gesellschaft zu verhindern, stellte der Theologe Graf als typische Position einiger Konservativer des 19. Jahrhunderts dar, etwa der französischen Staatstheoretiker Joseph de Maistre oder L. G. A. de Bonnard. Ein liberaler Staat werde notwendig auch vom liberalen Markt zerstört, postulierten sie, am Ende blieben wenige starke Gewinner. Genau das aber ist, auch wenn Graf diesen Bezug nicht ausdrücklich herstellt, die Überlegung von Habermas: dass es, wo der globale Kapitalismus sich gegenüber politischer Einflussnahme zunehmend verselbständige, vielleicht der Religion bedürfe, um die "knappe Ressource Solidarität! aufrechtzuerhalten.
(…….)
Für viele Kulturen, erinnert Habermas, stelle die Säkularisierung auch heute "einen Schock" dar. So beschreite der Westen etwa mit der strikten Trennung von Glauben und Wissen sonst in der Regel den Charakter eines Heilsweges, so werde die moderne Wissenschaft im Laufe der Neuzeit für das gute Leben unzuständig.
Für Habermas darf das aber nun eben nicht bedeuten, dass etwa bei Stammzell-debatten nur noch der Biologe gefragt werde, weil diese Fragen sich rein szientistisch schlicht nicht verhandeln liessen. Zugleich müsse sich der Westen daran erinnern, dass "der weltgeschichtliche Bruch der Säkularisierung" in seiner endgültigen Form gerade einmal zweihundert Jahre alt sei. Deshalb verdienen religiöse Gruppierungen für Habermas schon historisch mehr Gehör als andere Interessengruppen. Wie im geschichtlichen Prozess sakrale Begriffe oft in säkulare überführt worden seien, wie also zum Beispiel die Aufklärung von der Religion ein ethisches Destillat erstellt habe, so könnten wir schlicht nicht wissen, ob in religiösen Begriffen unserer Tage nicht noch "unabgegoltene Geltungsansprüche" steckten, die es der Vernunft zuzuführen gelte.
Das alles bedeuten natürlich keinerlei Abwendung von der Moderne. "Man kann etwas aus guten Gründen verloben haben" , sagt Habermas. So argumentiert er etwa hinsichtlich der Konfrontation mit traditionellen Kulturen nicht kulturalistisch. Der Universalitätsanspruch des säkularen Vernunftkonzeptes steht nicht zur Disposition; fremden Kulturen, sagt Habermas in München, gelte es "ebenso lernbereit wie selbstbewusst" gegenüberzutreten. Er sei sich bloss nicht sicher, ob eine "schwach modellierte Vernunftmoral" ohne religiösen Hintergrund etwa eine künftige Weltgesellschaft zu tragen vermöge.
Ebenso warnt Habermas vor allen Formen der Sakralisierung auf Staatsebene. Die Menschenrechte etwa seien Grundrechte und damit einfach Rechte, es gebe nicht den mindesten Grund, hinter die Herausbildung, selbsttragender Rechtssysteme in religiöse Überhöhungen zurückzufallen.
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