Thursday, October 01, 2015

Interview with Habermas in "Handelsblatt"

In the German newspaper "Handelsblatt" (October 1, 2015), Moritz Koch interviews Jürgen Habermas:

"Dann sind wir verloren, dann ist Europa kaputt"

Excerpts

Vor der Flüchtlingskrise war die Griechenlandkrise: Europa wurde zuletzt oft, gerade von amerikanischen Intellektuellen, ein Scheitern prophezeit. Schöpfen Sie Zuversicht aus der Tatsache, dass die angeblich dem Untergang geweihte EU immer noch existiert?

Nun ja. Lassen Sie mich zunächst zu Griechenland sagen: Ich hätte mir gewünscht, dass die griechische Regierung in dem halben Jahr der Verhandlungen mit der EU in dem Sinne klüger gewesen wäre, dass sie ihre Reformbereitschaft auf den Gebieten, wo sie notwendig und unvermeidlich ist - Staatsapparat, Finanzverwaltung und so weiter - sehr viel klarer zum Ausdruck gebracht hätte. Denn dann hätten die Griechen die Regierungen der Euro-Zone vorführen können. Das ist nicht geschehen.

Glauben Sie, dass Griechenland mit dem neuen Kreditprogramm eine Chance hat, sich ökonomisch zu stabilisieren?

Eigentlich nicht. Wenn das Programm buchstäblich umgesetzt wird, ist das die Fortführung einer falschen und vorhersehbar scheiternden Politik. Ich denke auch, dass Merkel und Finanzminister Schäuble das wissen. Wir werden sehen. Ohne die Flüchtlingskrise wäre ich nicht vollständig pessimistisch gewesen, sondern hätte gehofft, dass sich die Politik in den nächsten Jahren ändern wird. Aber durch die Flüchtlingskrise stehen wir vor einer Situation, die aus meiner Sicht Voraussagen außerordentlich schwer macht.

Weil Griechenland und Euro-Krise nun aus dem Fokus der Politik verschwinden?

Nicht nur das. Was geschieht jetzt mit den innenpolitischen Konflikten, die die Flüchtlingskrise nach sich zieht? Wie werden die Regierungen damit fertig? Wenn Nicolas Sarkozy in Frankreich oder Horst Seehofer in Bayern wie üblich darauf reagieren und den Rechten nachlaufen, dann sind wir wirklich verloren. Dann ist auch Europa kaputt.

Update:
An English translation of the interview here.



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