Sunday, October 22, 2017

Jürgen Habermas on Emmanuel Macron

The German weekly "Der Spiegel" (October 21, 2017) features an essay by Jürgen Habermas on the French President Emmanuel Macron:

"...was das uns Deutsche wieder kostet"? Ist das die Antwort auf den  französischen Präsidenten?
[not yet available online]

An English translation: "How much will the Germans have to pay?".

A French translation: "Ce fascinant Monsieur Macron", L'OBS, October 26, 2017.

Excerpts:

"The fact that someone like Macron would get elected in a country whose population has always been more skeptical of the European Union than Luxembourg and Belgium, more skeptical than Germany, Italy, Spain and Portugal, was simply not likely.
When looked at dispassionately, though, it is just as unlikely that the next German government will have sufficient far-sightedness to find a productive, a forward-looking answer when addressing the question Macron has posed. I would find some measure of relief were they even able to identify the significance of the question." (.....)

"The second factor separating Macron from other political figures is his break with a silent consensus. There has long been an unspoken assumption in the political classes that the concept of a Europe for Citizens is much too complex - and the final goal of European unity is vastly too complicated - to allow the citizens themselves to become involved. And that the day-to-day business of Brussels politics is only for experts and for the rather well-informed lobbyists, while the heads of state and government resolve the more serious conflicts that arise out of conflicting national interests among themselves, usually through deferral or preclusion.
More than anything, though, political parties agree that European issues are to be carefully avoided in national elections, unless, of course, domestic problems can be blamed on Brussels bureaucrats. But now, Macron wants to do away with this mauvaise foi. He already broke one taboo by placing the reform of the European Union at the heart of his election campaign and rode that message, only one year after Brexit - against "the sad passions of Europe," as he said - to victory.
That fact lends credibility to the oft-uttered trope about democracy being the essence of the European project, at least when Macron says it. I am not in a position to evaluate the implementation of the political reforms he has planned for France. We will have to wait and see if he is able to fulfill the "social-liberal" promise, that difficult balance between social justice and economic productivity. As a leftist, I'm no "Macronist," if there is such a thing. But the way he speaks about Europe makes a difference. He calls for understanding for the founding fathers, who established Europe without citizen input because, he says, they belonged to an enlightened avantgarde. But he now wants to transform the elite project into a citizens' project and is proposing reasonable steps toward democratic self-empowerment of European citizens against the national governments who stand in each other's way in the European Council."

As such, he isn't just demanding the introduction of a universal electoral law for the EU, but also the creation of transnational party lists. That, after all, would fuel the growth of a European party system, without which the European Parliament will never become a place where societal interests, reaching across national borders, are collectively identified and addressed."

In German:

"Dass jemand wie Macron in einem Land, dessen Bevölkerung seit je euroskeptischer war als Luxemburger und Belgier, als Deutsche, Italiener, Spanier und Portugiesen, zum Präsidenten gewählt werden könnte, war schlechthin unwahrscheinlich.
Allerdings ist es bei nüchterner Betrachtung ebenso unwahrscheinlich, dass die nächste deutsche Regierung die Weitsicht hat, auf die Frage, die ihr Macron gestellt hat, eine produktive, das heißt eine weiterführende Antwort zu finden. Ich würde schon aufatmen, wenn sie überhaupt die Relevanz der Frage richtig einschätzen würde." (......)

"Der zweite Umstand, durch den Macron sich von anderen Figuren unterscheidet, ist der Bruch mit einem stillschweigenden Konsens. In der politischen Klasse verstand es sich bis jetzt von selbst, dass das Europa der Bürger ein viel zu komplexes Gebilde ist und dass die finalité, das Ziel der europäischen Einigung, eine viel zu komplizierte Frage ist, als dass man die Bürger selbst damit befassen dürfte. Die laufenden Geschäfte der Brüsseler Politik sind nur etwas für Experten und allenfalls für die gut informierten Lobbyisten; während die Regierungschefs die ernsteren Konflikte zwischen aufeinanderstoßenden nationalen Interessen unter sich, in der Regel durch Aufschieben oder Ausklammern, beilegen. Vor allem aber besteht zwischen den politischen Parteien Einverständnis darüber, dass in nationalen Wahlen europäische Themen tunlichst zu vermeiden sind, es sei denn, dass sich die hausgemachten Probleme auf die Schultern Brüsseler Bürokraten abschieben lassen. Und nun will Macron mit dieser mauvaise foi aufräumen. Er hat ein Tabu bereits damit gebrochen, dass er die Reform Europas in den Mittelpunkt seiner Kampagne gerückt und diese Offensive, ein Jahr nach dem Brexit, gegen „die traurigen Leidenschaften“ Europas sogar gewonnen hat. 
Dieser Umstand verleiht dem oft gehörten Satz, dass die Demokratie das Wesen des europäischen Projektes sei, in seinem Munde Glaubwürdigkeit. Die Umsetzung seiner angekündigten politischen Reformen in Frankreich kann ich nicht beurteilen. Es wird sich zeigen müssen, ob er das „sozialliberale“ Versprechen, die schwierige Balance zwischen sozialer Gerechtigkeit und wirtschaftlicher Produktivität einzuhalten, einlöst. Als Linker bin ich kein „Macronist“, wenn es so etwas gibt. Aber wie er über Europa spricht, macht einen Unterschied. Er wirbt um Verständnis für die Gründungsväter, die Europa ohne die Bevölkerung erschaffen hätten, weil sie einer aufgeklärten Avantgarde angehörten; er selbst will aber nun aus dem Elite- ein Bürgerprojekt machen und fordert naheliegende Schritte zur demokratischen Selbstermächtigung der europäischen Bürger gegen die nationalen Regierungen, die sich im Europäischen Rat gegenseitig blockieren. So fordert er für die Europawahlen nicht nur ein allgemeines Wahlrecht, sondern auch eine Kandidatenaufstellung nach länderübergreifenden Parteilisten. Das befördert nämlich die Ausbildung eines europäischen Parteiensystems, ohne das aus dem Straßburger Parlament kein Ort werden kann, wo gesellschaftliche Interessen über die Grenzen der jeweils eigenen Nation hinweg verallgemeinert und zur Geltunggebracht werden können."

See also my post on the discussion between Jürgen Habermas, Emmanuel Macron, and Sigmar Gabriel on "Which future for Europe?" in Berlin in March 2017.

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