In "Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung" (01-09-2024) Mark Siemons reviews Habermas's forthcoming book: "Es musste etwas besser werden..". Gespräche mit Stefan Müller-Doohm und Roman Yos" (Suhrkamp Verlag, September 2024):
"Ein Moment des Erschreckens" [paywall]
[Online version entitled "Der blinde Fleck des Kriegs"]
Excerpts:
"Was sich als Leitmotiv durch sein Denken und dieses Interviews hindurchzieht, ist die Überzeugung, dass es einen Fortschritt der Vernunft gibt - zwar nicht aufgrund irgendwelcher geschichtsphilosophischer Prinzipien, wohl aber als Ergebnis kollektiver Lehrerfahrungen, die sich im Lauf der Zeit anhäufen. Seine eigene Lebensspanne deutet Habermas im Licht dieser Intuition: Ihm und seiner Generation sei es "vergönnt" gewesen, "zu Zeitgenossen einer friedlichen Gesellschaft mit anhaltend aufsteigenden Tendenzen zu werden." Vor diesem Hintergrund versteht man das Ausmaß des Entsetzens, das ihn heute erfasst hat: "Nun knicken alle dieser aufgesteigenden Tendenzen mehr oder weniger abrupt ab." Ihn packe ein "Gefühl der Furcht vor einer auf länger Sicht weltweiten politischen Regression". Der russischer Revanchismus treffe auf einen "ziemlich orientierungslosen" Westen, der sich über seiene "relativen Abstieg" keine Rechenschaft ablege und "regressiv an einem überholten Selbstverständnis" festhalte. (.....),"
"Was Habermas kritisiert, ist gerade die Prinzipienreiterei derer, die die verlorene Macht des Westens nicht in Rechnung stellen und so bei ihren guten Absichten stehen bleiben, es nicht nötig halten, sie in realistisch zu erreichende Ziele zu überführen. Den Glauben an die Möglichkeit einer Weltinnenpolitik, den er Ende der Neunzigerjahre gehabt hatte, hat er längst aufgegeben. In dieser paradoxen Konstellation entsprechen die sogenannten Realisten eher dem Klischeebild eines weltfremden Idealismus, der nun in Gefahr steht, das Militärische als ein politisches Mittel wie jeder andere zu betrachten (.....)"
"Mit sanfter Selbstironie spricht er selber von seinem "subjektiven Alterspessimismus", dem gegenüber er, sollte er nicht trügen, nur noch eine Hoffnung in Stellung bringen könne. "dass ein - hoffentlich ohne Krieg - weiter aufsteigendes China aus den Tiefen seiner langen, großen und vielfältigen Kultur" eines Tages die Vernünftigkeit einer Menschenrechtsordnung erkennt, "die der Menschheit im Ganzen gehört"".
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